Hans Grüninger als Verleger klassischer Literatur Als Hans Grüninger geboren wurde, war das römische Reich schon seit tausend Jahren untergegangen. Seine imposanten Bauten waren nur noch Ruinen und das literarische Schaffen der Römer und Griechen verstaubte in Klosterbibliotheken.

Erst im Lauf des 15. Jahrhunderts erweckte eine gebildete Schicht Italiens das Erbe Roms zu neuem Leben: Architekten und Künstler nutzten antike Techniken und Formsprache, Intellektuelle lasen historische, philosophische und poetische Werke des klassischen Altertums. Diese Entwicklung blieb nicht auf Italien beschränkt, sondern erreichte wenige Jahrzehnte später auch Deutschland. Humanisten (so nannten sich diese Gebildeten) schufen mit ihrem Interesse einen Markt für lateinische Klassiker.
Hans Grüninger erkannte die sich hier bietende Chancen und brachte ab 1489 lateinische Klassiker heraus.
Er verlegte zuerst die Gedichte des Horaz. Dieser Dichter lebte im ersten vorchristlichen Jahrhundert. Das Thema seiner Gedichte ist die individuelle Lebensgestaltung in einer aufgewühlten Zeit (genieße den Tag …). Kein Wunder, dass Horaz gerade in einer Zeit großer Veränderungen gern gelesen wurde.
Wenige Jahre später erschien in der Straßburger Druckerwerkstatt eine Ausgabe der Komödien des Terenz. Dieser begründete zusammen mit Plautus im zweiten Jahrhundert vor Christus die Literaturgattung der römischen Komödie. Während die Stücke des Plautus eher derben Inhalt haben, zeichnet sich Terenz durch Feinsinnigkeit und anspruchsvolle Handlungsverläufe aus. Mit seiner Betonung der Menschlichkeit (ich bin ein Mensch, nicht menschliches ist mir fremd) war Terenz bei den Humanisten ein vielgelesener Autor.
Grüningers Druck der Aeneis aus dem Jahr 1502 wird als ein ästhetischer Höhepunkt seines Schaffens angesehen. Dieses Epos um den trojanischen Helden Aeneas und die Gründung Roms stammte aus der Feder des Dichters Vergil, der im ersten vorchristlichen Jahrhundert lebte. Vergil erfreute sich bei den Humanisten eines besonders hohen Ansehens, da man aus seinen Werken Verbindungen zum Christentum ziehen zu können glaubte.
Den Schlusspunkt lateinischer Werke im Verlagshaus Grüninger bildet 1507 die Römische Geschichte des Titus Livius. Dieser Schriftsteller verfasste um die Zeitenwende eine Geschichte Roms, die durch ihre Lebendigkeit und Anschaulichkeit besticht. Inhaltlich bietet sie bekannte Stoffe wie die Sage von Romulus und Remus oder den langen Krieg Roms gegen den Karthager Hannibal. Grüningers Auswahl der Autoren legt den Schluss nahe, dass er nicht wahllos antike Schriften um ihrer selbst willen verlegte. Vielmehr achtete er als Geschäftsmann darauf, dass seine Werkauswahl inhaltlich und ästhetischen den Geschmack seiner Zeitgenossen traf.