Auch dieses Jahr nahmen wieder über 80 Schülergruppen mit fast 400 Kursstufenschülern aus ganz Baden-Württemberg am Tag der Mathematik an der Universität Tübingen teil, darunter zwei Schülergruppen aus unserem Mathematik-Vertiefungskurs in der Klassenstufe 11.

Sie beschäftigten sich einen ganzen Samstag lang mit mathematischen Aufgaben und hörten Vorträge von Mathematikern über deren Forschung und deren Beruf. „Kann das Spaß machen?“ fragte vor zwei Jahren ein erstaunter Reporter des Schwäbischen Tagblatts in seinem Artikel. „Auf jeden Fall!“ erhielt er damals von einer Schülerin zur Antwort.

So sahen es auch die teilnehmenden HGG-Schüler, die sich morgens schon ab sieben Uhr mit Bus, S-Bahn, Zug und nochmals Bus auf den Weg nach Tübingen gemacht hatten und erst nach sieben Uhr abends wieder zuhause waren.

Im ersten Wettbewerbsteil bearbeiteten die Schülergruppen eine Stunde lang anspruchsvolle Aufgaben aus den Bereichen Algebra, Geometrie und Wahrscheinlichkeitstheorie. Hier war es wichtig, die insgesamt vier Aufgaben geeignet auf die Gruppenmitglieder zu verteilen und sich gegen Ende der Bearbeitungszeit gegenseitig bei den anderen Aufgaben zu helfen.

Anschließend berichtete ein Tübinger Mathematik-Professor über Euklids Parallenaxiom und die hyperbolische Geometrie. Dies ergänzte sehr schön unseren Unterricht im Vertiefungskurs, wo wir besprochen hatten, dass jede mathematische Teildisziplin einen Bestand von unbeweisbaren Grundannahmen (sog. Axiome) benötigt, aus denen dann deduktiv nach und nach die eigentlichen mathematischen Sätze durch Beweise hergeleitet werden können. Über zweitausend Jahre lang war ungeklärt geblieben, ob Euklids Parallelenaxiom (zu einer Geraden und einem Punkt, der nicht auf der Geraden liegt, gibt es genau eine Parallele durch den Punkt zu der gegebenen Geraden) für die ebene Geometrie erforderlich ist oder bereits aus den restlichen Axiomen als Satz hergeleitet werden kann. Erst Anfang des neunzehnten Jahrhunderts ergab sich, dass auf das Parallelenaxiom nicht verzichtet werden kann, weil man sonst zur elliptischen oder hyperbolischen Geometrie gelangen kann, in der etwa die Winkelsumme im Dreieck nicht 180 Grad beträgt.

Im zweiten Teil des Vortrags zur hyperbolischen Ebene wurde den Schülern dann einiges an Abstraktionsvermögen abverlangt, denn Geraden können hier auch Halbkreise sein, Geraden-Spiegelungen können auch Inversionen am Kreis sein, und hyperbolisch kongruente Dreiecke sind euklidisch gesehen alles andere als kongruent.

Nach dem gemeinsamen Mittagessen in der Mensa ging es im zweiten Wettbewerbsteil um Geschwindigkeit und Strategie, da jede Gruppe die nächste der insgesamt acht Aufgaben erst erhielt, wenn sie die vorausgehende abgegeben hatte.

Auch der Vortrag eines Tübinger Postdoktoranden zum Existenz-Begriff in der Mathematik ergänzte unseren Vertiefungskurs: Häufig werden neue Begriffe nur indirekt über einen Approximationsprozess definiert (wie die reellen Zahlen als Grenzwerte rationaler Zahlenfolgen) und gelegentlich wird die Existenz zwar über einen Widerspruchsbeweis gesichert, ohne jedoch irgendein Konstruktionsverfahren für das Objekt anzugeben (weshalb Widerspruchsbeweise von einer kleinen Mathematiker-Fraktion grundsätzlich abgelehnt werden).

Im abschließenden Vortrag eines promovierten Mathematikers, der nun bei einer großen Unternehmensberatung arbeitet, wurde deutlich, dass die analytischen Fähigkeiten und das klar strukturierte Vorgehen von Mathematikern auch in scheinbar eher mathematikfernen Berufen gefragt sind. Die eindrücklichen Praxisbeispiele zur Preisgestaltung von Produkten oder zur preislichen Staffelung einer Produktpalette zeigten, dass Marktforschung und Statistik unverzichtbar für Unternehmen geworden sind.

Neben der Freude an der Beschäftigung mit den kniffligen Mathematikaufgaben haben unsere Schüler an diesem Tag einen interessanten Einblick in das Universitätsleben und in die Anwendung der Mathematik in verschiedenen anderen Disziplinen erhalten.