Was interessiert viele Leser an einem Buch oft mehr als das geschriebene Wort? – Richtig: die Bilder! Und da dies schon immer so war, wurden Bücher auch seit jeher illustriert, d.h. bebildert. Die klassische Buchillustration des Mittelalters war das gemalte Bild, Bilder und besonders prachtvoll ausgestaltete Textstellen wurden einfach in ein Buch hineingemalt.

Das war sehr aufwändig und machte solche Bücher extrem kostspielig. Noch vor der Erfindung der beweglichen Lettern wurde schon an einer Art getüftelt, Texte einfacher bebildern zu können: Beim sogenannten „Blockbuch“ wurden Text und Bild in eine einzige Holplatte geschnitten und konnten so im Hochdruck mehrfach abgezogen werden. Das war schon ein Fortschritt, die Nachteile liegen allerdings klar auf der Hand: Pro Seite benötigte man eine eigene Holzplatte und Fehler oder punktuelle Abnutzung machten eine solche Platte schnell unbrauchbar.

Mit den Lettern wurden auch die Bilder beweglich und konnten frei in die Textseite montiert werden, ein Prinzip, das sich bis ins Computerzeitalter nicht mehr verändert hat. Und wie auch heute, wertete ein gutes, spektakuläres Bild den Text erheblich auf: Bücher mit anspruchsvolleren Bildern wurden teurer gehandelt. Aber auch für die Künstler der Renaissancezeit war die Druckgrafik ein interessante Sache: Zum einen boten die unterschiedlichen technischen Aspekte der jeweiligen Grafikart verschiedene Ausdrucksmöglichkeiten, wie etwa der Kupferstich eine sehr feine, elegante Linienführung, der Holzschnitt hingegen eine kraftvolle, ausdrucksstarke Bildwirkung. Zum anderen konnten von einer Druckplatte mehrere Abzüge hergestellt und somit auch verkauft werden: eine einfache Form der Massenproduktion!

Gerade süddeutsche Künstler der Renaissance erwiesen sich als Meister der Druckgrafik: Martin Schongauer aus Colmar war der Pionier des Kupferstichs im deutschsprachigen Raum. Das rief den jungen Albrecht Dürer auf den Plan, ins Elsass zu wandern, um bei diesem Meister zu lernen, Schongauer verstarb allerdings kurz vor Dürers Ankunft. Trotzdem entwickelte sich der junge Nürnberger zu einem der größten Druckgrafiker der Kunstgeschichte und weitere junge Künstler traten in seine Fußstapfen. Sein berühmtester Schüler ist sicherlich der aus Schwäbisch Gmünd stammende Hans Baldung Grien. Dieser ließ sich später in Straßburg nieder, also quasi vor Grüningers Haustür. Der grandiose Hochaltar des Freiburger Münsters ist aus seiner Hand. Der Schweizer Urs Graf war kein direkter Schüler Dürers, dafür hatte der Berufssoldat („Landsknecht“) mit einem mehr als abenteuerlichen Lebenswandel vermutlich nicht genügend Muße. Er profitierte aber enorm von der technischen und gestalterischen Innovationskraft des Multitalents Dürer und der Nachfrage nach ähnlichen Werken, denn Albrecht Dürer arbeitete als gefragter Künstler zumeist auf eigene Rechnung, als sein eigener Verleger.

Hans Grüninger kannte Albrecht Dürer, konnte ihn aber für kein Projekt gewinnen, ja Dürer „verachtete“ dessen Arbeiten, wie sich Grüninger in einem Brief an den gemeinsamen Bekannten Willibald Pirkheimer, eine der schillerndsten Figuren aus den süddeutschen Humanistenzirkeln, beklagt. Dürer hatte es 1525 einfach nicht mehr nötig für einen Verleger und Buchdrucker zu arbeiten, „verachten“ heißt hier sicher eher „desinteressiert sein“. Allerdings vermittelte er seinen Schülern und Nachfolgern immer wieder lukrative Aufträge. Und so wundert man sich nicht, wenn man neben dem Basler Urs Graf, den vermutlich auch aus Nürnberg stammenden Hans Leonhard Schäuffelein und den wohlbekannten Hans Baldung Grien unter den Künstlern zu finden, die für Hans Grüninger arbeiteten. – Natürlich arbeiteten meistens unbekannte Künstler für die Drucker und Verleger, denn auch schon damals galt, dass die Besten meist auch die Teuersten sind.

Für besondere Bücher versuchte man allerdings stets, namhafte Künstler zu gewinnen. So zieren das Buch „Die zehn Gebot“ aus dem Jahre 1516 15 Holzschnitte Baldung Griens, die gemeinhin als künstlerischer Höhepunkt im Schaffen Grüningers gelten. Das Bild der beiden fechtenden Landknechte mit ihren riesigen „Bidenhändern“, Schwertern, die beidhändig geführt werden mussten, ist vermutlich bekannter als der Name Hans Grüningers. Grüningers Name wäre sicherlich bekannter, wenn es stärker ins öffentliche Bewusstsein gedrungen wäre, dass der weltbekannte Till Eulenspiegel einen Großteil seiner Bekanntheit den Grüninger-Drucken des „Ein kurtzweilig lesen von Dyl Ulenspiegel“ aus dem zweiten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts verdankt. Wer die 87 Holzschnitte dafür entwarf oder ausführte, ist nicht bekannt. Sowohl Urs Graf als auch, was wahrscheinlicher ist, Hans Baldung Grien stehen zur Diskussion. Jedem, der sich heute etwa eine Ulenspiegelausgabe des Reclam-Verlages kauft, grinst wie schon vor 500 Jahren der Eulenspiegel aus Grüningers Druckerei entgegen: hoch zu Pferd, beide Arme erhoben, in der Rechten eine Eule, in der Linken einen Spiegel. Und dass das selbst Dürer gefiel, belegt eine Tagebuchnotiz des Meisters anno 1520: „1 Stüber für zween Eulenspiegel“ ausgegeben. „Verachten“ sieht anders aus. Beachtlich, Herr Hans Grüninger!